03.08.2011

Ta Tü Ta Ta

Seit Februar diesen Jahres bin ich freiwilliger Sanitaeter fuer St Johns Ambulance Services. Wie freiwillige Feuerwehr in Deutschland nur mit dem Krankenwagen anstatt des Feuerwehrwagens. Hier in Meekatharra und all den anderen kleinen Orten in Australien gibt es keine richtigen Berufs-Sanitaeter sondern nur Freiwillige, da dieses Land viel zu gross und zu duenn besiedelt ist um ueberall 24/7 Berufs-Sanitaeter stationiert zu haben. Nach neun Wochenenden Training, fuer das ich jedes Mal 115km gen Sueden nach Cue und zurueck gefahren bin, bin ich nun voll ausgebildet und erlebe jede Woche etwas neues. Nicht alle Notrufe sind ernst, nein, ich wuerde sagen, 80% aller Notrufe sind bescheuert und die Leute haetten gar keinen Krankenwagen gebraucht. Von einem "schmerzhaften Knoechel" (mit dem nichts verkehrt schien) von einem Patienten, der eigentlich nur wollte, dass wir ihn nach Hause fahren damit er ins Bett gehen kann, ueber generelle Verletzungen, die man bekommt, wenn man sich gegenseitig verhaut und Rumflaschen ueber dem Kopf zerdeppert, zu Epilepsie (was NICHT gut mit Alkohol inhergeht!), Diabetis, Drogenmisbrauch (Klebe und Sprit-Schnueffler...) und der anscheinend sehr weit verbreiteten Krankheit ich-hab-zu-viel-gesoffen-und-will-schlafen-aber-die-anderen-sind-zu-laut-am-Party-machen-also-fahr-mich-bitte-zum-Krankenhaus-damit-ich-ein-sauberes-Bett-und-eine-Mahlzeit-bekommeRitis. Und natuerlich dann die wirklichen Notrufe, wo sich dann mal wirklich jemand ein Bein gebrochen hat, blutet, bewusstlos ist oder eine Herzattacke hat.
Heute, an einem wunderschoenen Sonntag, nach einer langen, guten Party am Samstag abend, wollte ich eigentlich einen entspannten Tag verbringen, Blumen pflanzen, auf dem Rasen liegen und ein Buch lesen oder ein bisschen schlafen. Anstatt habe ich das Notruf-Telefon bekommen, "nur fuer 2 Stunden! Passiert bestimmt sowieso nichts!" - 20 minuten spaeter ein Anruf von der Notruf Zentrale: Priority 1 (heisst: Tatütata und Blaulicht!), ein Auto sei 80km oestlich von Meeka von der Strasse abgekommen und drei mal gerollt mit zwei Leuten drin. Also schnell alle angerufen und beide Krankenwagen genommen und los duesen wir. Nach einer Stunde an dem Unfallort angekommen, waren Polizei und Feuerwehr schon da und die beiden Patienten aus dem Auto raus. Gut! Keine gequetschten Extremitaeten oder gebroche Knochen auf den ersten Blick. Keine Kinder, niemand im Auto eingeklemmt, beide Patienten bei Bewusstsein und lebendig. Schonmal gut! Mit Nackenschmerzen soll man nicht leichtsinnig sein und beim Anblick des Vollschaden Autos war deutlich, dass die Wirbelsaeule gelitten haben koennte, also einen "Collar" (Nackending? Deutsches Wort?) angebracht und Schmerzmittel gegeben. Waehrend der Stunde Rueckfahrt hatte ich viel Zeit, die Patientin, die wir in unserem Krankenwagen hatten, gruendlich zu checken und staendig ihren Puls, Blutdruck, Atmung, Blutzucker und Bewusstseinszustand zu ueberwachen, bis wir im Krankenhaus ankamen und sie an die Krankenschwestern und Doktoren uebergeben konnten. Sie war zwar in Schmerzen aber in einer ziemlich stabilen Kondition und ich denke, dass sie ohne schwere Folgen von diesem Unfall weggehen wird, genauso mit ihrem Mann, der aehnlich wie sie aussah. Was ein geplatzter Reifen so verursachen kann!

Es ist wirklich, wirklich gut, dieses Wissen zu haben. Man weiss nie, in welcher Situation man sich mal befinden wird und Unfaelle koennen jedem und ueberall passieren. Auch zu wissen, dass ich in Notsituation ruhig bleiben und klar denken kann, ist sehr gut. Wenn ich jetzt zurueck denke, finde ich es fast erstaunlich, dass ich (ICH! Svenja Luebbe aus Friedrichsort!) noch vor drei Stunden hinten im Krankenwagen sass und einen Autounfall Patienten versorgt habe. Ob die Frau weiss, dass ich nur ein Freiwilliger Sanitaeter bin und das gar nicht richtig gelernt habe? Und dass ich erst seit ein paar Monaten dabei bin und so gut wie keine Erfahrung habe? Wir freiwilligen Sanitaeter in Meeka hier haben ein Sprichwort, dass es sehr gut beschreibt: "Fake it till you make it." (Tu einfach so, als ob du wuesstest was du tust, bis du wirklich weisst was du tust) und ich denke dass ich mit meinem Stetoskop (ich weiss noch nicht mal wie man das schreibt!) und meiner Uniform sehr professionell aussah. Und sexy.

Auch wenn es nicht schoen ist, nachts um drei Uhr angerufen zu werden, aufstehen zu muessen, den Krankenwagen zu holen und dort hin zu fahren, nur um zu finden, dass der angeblich "bewusstlose" Patient nur betrunken und tief am Schlafen (!) war, oder es ein Spass Anruf war von Kindern die nachts um 3 nichts anderes zu tun haben, als gutmuetige, Vollzeit arbeitende und besorgte Menschen aus dem Bett zu rufen und zu verarschen - trotz all dem ist es eine sehr gute und erfuellende Erfahrung mit viel interessantem Wissen und ich bin sehr stolz ein "Ambo" zu sein!

Gallery

wordpress plugin